Markt und Konkurrenz

Effizienz vs. Stabilität?

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Aufgrund der Bankenkrise wird derzeit von allen Seiten gefordert, dass die Banken stärker reguliert werden sollen. Dieser Artikel soll zeigen, woher die Notwendigkeit zur Regulierung kommt, was für Auswirkungen die Regulierung hat und welche Fragen noch ungeklärt sind. Die spannendste Diskussion hinsichtlich der Regulierung von Banken ist im Kern seit langem unverändert. Gibt es einen Trade Off zwischen ökonomischer Effizienz (Wettbewerb) und Stabilität? Die Grundhypothese lautet, dass mehr Wettbewerb zu einer Abnahme der Stabilität im Bankensystem führt. Ob dieser Trade Off jedoch existiert, ist nach wie vor nicht klar. Die meisten akademischen Artikel plädieren für ein ausgewogenes Mittelmaß, also Wettbewerb schon aber nicht zu viel, damit eine ökonomische Überrendite für die Bankeigentümer bleibt und dadurch das Eingehen von zu hohen Risiken vermindert wird. 

Eine der besten Übersichten dazu findet sich im Artikel von Northcott[1], sehr empfehlenswert ist auch der Klassiker von Freixas und Rochet[2]. Was sind die wichtigsten Quellen der Instabilität?

  • Auf der Aktivseite der Bilanz ist es das Eingehen von zu hohen Risiken. Durch das im Verhältnis zum Fremdkapital geringe Eigenkapital (8-10%) bei Banken können Ausfälle bei Investitionen (Krediten, Handelsgeschäften) das vorhandene Eigenkapital rasch übersteigen.
  • Auf der Passivseite der Bilanz sind es Risiken die mit der Fristentransformation zusammenhängen. Kurzfristige Einlagen finanzieren langfristige Kredite. Hier kann nochmals zwischen “Runs“ (alle Einleger wollen gleichzeitig Ihre Einlagen zurück) und Refinanzierungskrisen (kurzfristige Interbankenkredite werden nicht verlängert) unterschieden werden. Die Einlagensicherung dient der Verhinderung der genannten “Runs“.
  • Diese beiden grundlegenden Herausforderungen werden nochmals durch verschiedenste Anreizprobleme verstärkt (Kreditnehmer vs. Bank, Bank vs. Einleger, Management vs. Eigentümer,…)

Die derzeitigen regulatorischen Bemühungen (Basel III) gehen in Richtung “Stärkung“ der Banken (das wird momentan von vielen Banken nicht so empfunden, da krisenbedingt die erhöhten Kapitalanforderungen eine Hürde darstellen) der Banken über mehr Eigenkaptal (Aktivseite des Risikos) und einer stabilere Finanzierung (Passivseite des Risikos). Gleichzeitig wird über den Eigenkapital-Aufschlag für systemrelevante Banken („too big too fail“) versucht deren Risikoposition zu verringern. Dass, die Regulation nicht nur als positiv erachtet wird, sollte im derzeitigen Anti-Markt Sentiment nicht vergessen werden. Viele der Banken im Zentrum der Krise waren staatsnah und hatten sehr einfache Geschäftsmodelle (z.B. Fannie Mae und Freddie Mac) und viele der riskantesten und komplexesten Transaktionen waren die Antwort der Banken auf Basel II. Ich erinnere mich an Bilanzoptinierungs-Strukturen (Transaktionen) deren Beschreibung mehre Seiten lang waren und über so ziemlich jedes Derivat bis zu Versicherungs-Monolineren alles enthalten haben. 

Aus der Krise gehen wie aus jeder Krise die Stärksten stärker hervor - jene mit dem besten Risikomanagement oder mit dem solidesten Geschäftsmodell. Das ist somit ein durchwegs positiver Effekt, der jedoch leider durch die Rettung von schwachen Banken wieder abgeschwächt wird. In der Schumpeterischen Terminologie spricht man  von einem evolutionären Prozess der zur Entwicklung beiträgt, der: „….unaufhörlich die alte Struktur zerstört und unaufhörlich eine neue schafft. Dieser Prozess der schöpferischen Zerstörung ist das für den Kapitalismus wesentliche Faktum“[3])

Vorausgesetzt wir glauben an den positiven Effekt von mehr Wettbewerb (vielleicht gilt es die ökonomischen Lehrbücher zu überarbeiten- Schumpeter S.144), wäre es naheliegend die Gründung von kleinen neuen Banken regulatorisch zu erleichtern. Damit entstünden neue „gesunde“ Wettbewerber und der Markt würde sich weniger in Richtung Oligopolmarkt drehen. Die Ausfallsrisiken dieser kleinen Banken wären minimal im Vergleich zu den großen Banken. Um den Wettbewerb also konstant und aufrecht zu erhalten, müsste die Regulatorik nicht nur Risiko aus dem System nehmen (Basel III) sondern auch dafür sorgen, dass neue Wettbewerber in den Markt kommen. Die derzeitigen Marktzugangsbeschränkungen (Eigenkapital, Clubzwang,...) müssten dann konsequenter Weise gelockert werden…

Leider ist es nicht so einfach. Ein paar der verbleibenden Fragen, die an das zitierte Kapitel (S 134ff) von Schumpeter anknüpfen:

  • Sind die oligopolistischen Strukturen wirklich problematisch (S135) oder gerade notwendig um mittels der höheren Gewinne Innovation zu schaffen?
  • Ist der dem kapitalistischen System inhärente Prozess der schöpferischen Zerstörung und Schaffung (!) so stark, dass es keine Rolle spielt ob Zugänge für kleine neue Finanzdienstleister erleichtert werden? – Die Dynamik findet ihren Wirkungskanal. Ein Beispiel wäre, dass der wahre Wettbewerb von außerhalb der Industrie kommt. Telekommunikationsanbieter als Zahlungsverkehrsvermittler, Captives als Banken, P2P-Kreditplattformen die Kredite ohne Banken vermitteln.
  • Sollten wir uns darauf fokussieren die Erneuerung zu beschleunigen statt alte Banken zu retten und zu hoffen diese später wieder zu steuerschonend zu privatisieren? Die Abwicklung als Preis des Systems (mit vielen, vielen Vorzügen) anerkennen und daher schnell den Markt aufräumen – und Raum für Neues schaffen?

[1] Northcott, Carol Ann; Competition in Banking: A Review of the Literature; Bank of Canada; 2004, Working Paper 2004- 24

[2] Freixas, Xavier und Rochet, Jean-Charles Rochet. Microeconomics of Banking; The MIT Press; 2008 2nd Edition; 305 ff,

[3] Schumpeter, Joseph A., Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie; UTP;8 Auflage;S.140